Sommerwelle: Abwasserwerte sprechen deutliche Sprache

20.06.2022

Sommerwelle: Abwasserwerte sprechen deutliche Sprache

Zwischenergebnisse aus dem CoMoTH-Projekt zum Abwassermonitoring präsentiert: SARS-CoV-2-Viruslast wird zuverlässig abgebildet, Trends sind erkennbar / Empfehlung beim Workshop des Thüringer Clustermanagements der LEG: „Monitoring sollte flächendeckend implementiert werden, um das Infektionsgeschehen zu erfassen“ / Infrastruktur für weitere Erreger nutzen

Jena, Juni 20, 2022 – Daten aus dem Abwasser belegen eindrücklich: Die Pandemie ist nicht vorbei. Sie bestätigen die Aussage von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), wonach die Sommerwelle bereits Realität sei. Die über die Gesundheitsämter gemeldeten Zahlen bilden diese Realität nur eingeschränkt ab, seit mit Aufhebung der Maßnahmen weniger individuell getestet wird. Hingegen sprechen die Daten aus dem Thüringer CoMoTH-Projekt eine deutliche Sprache, beispielsweise in dieser Grafik, die den Konzentrationsverlauf am Beispiel der Kläranlage Jena abbildet.

„Das Beispiel verdeutlicht, dass die Konzentration von SARS-CoV-2-Genkopien im Abwasser den gemeldeten Daten mit einigen Tagen Vorlauf entsprach – bis zur Aufhebung der Maßnahmen. Seit April entkoppeln sich jedoch die Werte: Die Konzentration von SARS-CoV-2-Genkopien im Abwasser steigt seit kurzem wieder stark an, wohingegen die gemeldeten Fälle den Trend nicht abbilden“, so Dr. Robert Möller, Projektleiter bei Analytik Jena.

Beim Workshop „Wasser und Gesundheit. Abwasserbasierte Epidemiologie“ am 20. Juni 2022 in Erfurt wurden diese und weitere Zwischenergebnisse und Erkenntnisse aus dem CoMoTH-Projekt präsentiert.
Veranstalter waren das Thüringer ClusterManagement der Landesentwicklungsgesellschaft (LEG) zusammen mit der Bauhaus-Universität Weimar und dem Forschungscampus InfectoGnostics. Dazu Andreas Krey, Geschäftsführer der LEG: „Unser Thüringer ClusterManagement begleitet schwerpunktmäßig solche zukunftsorientierten Vorhaben wie CoMoTH, welche die Technologielandschaft des Freistaats bereichern und konkreten Nutzen für die Bürgerinnen und Bürger stiften.“

CoMoTH, das vom Thüringer Wirtschaftsministerium mit rund 370.000 Euro gefördert wird, bezieht 23 Kläranlagen und damit ca. 40 % der Thüringer Bevölkerung ein. Verbundpartner sind die Bauhaus-Universität Weimar und die Analytik Jena GmbH. Eines der erklärten Forschungsziele des CoMoTH-Projekts, ist es, den Möglichkeiten eines flächendeckenden und dauerhaften Abwassermonitorings auf SARS-CoV-2 im Land auf den Grund zu gehen.

Die bereits erzielten Ergebnisse belegen, dass:

  • der Nachweis von Pathogenen im Abwasser prinzipiell möglich und sinnvoll ist.
  • die Daten aus dem Abwasser den Inzidenzen im Zeitverlauf i.d.R. um Tage voraus sind, womit sie für ein Monitoringsystem in Betracht kommen.
  • Abwasserdaten anschaulich den klinischen Pandemieverlauf in seinen Anstiegen und Abfällen spiegeln.
  • der Übergang von einer Welle auf die andere (Delta auf Omikron) aus den Werten ersichtlich wird.
  • sich die klinischen Infektionszahlen entkoppeln von den im Abwasser gemessenen Werten, seit das Pandemiemanagement gelockert wurde: Weniger Tests und damit weniger durch das RKI gemeldeten Fällen steht ein konstant hoher oder sogar steigender Verlauf der Werte im Abwasser gegenüber.

Das Projekt CoMoTH wird im August 2022 planmäßig enden. Projektleiter Prof. Silvio Beier von der Bauhaus-Universität Weimar plädiert: „Das Monitoring kann auf Grundlage der Projektergebnisse nunmehr in Thüringen implementiert werden, um das künftige Infektionsgeschehen zeitnah zu erfassen. Zudem bietet es eine zusätzliche Entscheidungshilfe für den Gesundheitsdienst, ob Maßnahmen zu ergreifen sind bzw. wie vorhandene Maßnahmen wirken. Im Forschungsprojekt CoMoTH wurden wichtige Rahmenbedingungen etabliert, so dass die Weiterentwicklung des Systems nur folgerichtig ist, nicht nur bezogen auf die SARS-CoV2-Pandemie, sondern auch hinsichtlich künftiger Herausforderungen im Themenbereich Wasser und Gesundheit.“

Generell ist derzeit zu beobachten, wie sich die wastewater-based epidemiology (WBE) auf Basis von PCR-Tests durchsetzt, die abwasserbasierte Epidemiologie, deren Potenzial erst in Ansätzen erkennbar ist. Denkbar ist das Monitoring für weitere Viren (Hepatitis-, Polio-, Noro- und Influenzaviren), bakterielle Pathogene (Salmonellen, Clostridien, Legionellen) und für die Verbreitung von Antibiotikaresistenzen. Das Corona-Monitoring in Kläranlagen hat dieser Entwicklung weltweit Schub verliehen.

Schwarze Kurve: 7-Tage-Inzidenz, wie ans RKI gemeldet
Blaue Kurve: gleitender Durchschnitt (der letzten 7 Tage) der detektierten Konzentration von SARS-CoV-2-Genkopien im Abwasser (zur vorläufigen orientierenden Betrachtung)

Abwasseranalytik

Mehr erfahren